Die am häufigsten verwendete Erzählperspektive der Literatur ist die eines außenstehenden Erzählers. Da der Autor hier beim Schreiben etwas freier und offener sein kann, wird diese Erzählperspektive sehr gerne gewählt. Auch ist es etwas einfacher, diese im gesamten Buch durchzuhalten.
Wird eine Geschichte durch jemanden erzählt, der keine Figur der Handlung ist, dann spricht man von einem Er/Sie-Erzähler oder Erzähler in der 3. Person. Je nachdem, wie der Autor diesen anlegt, weiß der Erzähler entweder gar nichts, etwas oder alles über die einzelnen Figuren.
Wenn ein außenstehender Erzähler die Geschichte wiedergibt, dann wird diese in der Er/Sie-Form geschrieben. Es handelt sich um eine vom Autor geschaffene Stimme, welche die Ereignisse in der Geschichte erzählt. Du kannst dabei deinen Erzähler alles wissen lassen, du kannst aber auch entscheiden, dass der Erzähler nur über eine oder ein paar wenige Figuren Bescheid weiß. Auch ein unwissender bzw. objektiver Erzähler ist eine Möglichkeit deine Geschichte erzählen zu lassen.
Weitere Teile des Beitrags:
Die Erzählperspektive – Teil 1: Die Wahl der richtigen Perspektivfigur
Die Erzählperspektive – Teil 2: Wenn eine Figur die Geschichte erzählt
Die Erzählperspektive – Teil 4: Weitere Infos & Hilfe bei der richtigen Wahl
Der allwissende Erzähler
Der allwissende Erzähler ist ein Erzähler, der Zugriff auf die Gedanken und Gefühle aller Figuren hat. Nicht nur das, er kennt jeden Ort und weiß, warum jede Person das macht, was sie macht. Er kennt sogar die Zukunft und das Ende des Buchs. Dieser Erzähler wird auch auktorialer Erzähler genannt.
Durch diese Fähigkeit wird die Geschichte nicht durch die Augen einer oder mehrerer Figuren gefiltert, sondern der allwissende Erzähler entschiedet, wann welche Information an den Leser geht. So kann der allwissende Erzähler auch schon am Anfang und immer wieder zwischendurch Andeutungen auf zukünftige Ereignisse in der Geschichte vornehmen oder andeuten, wie die Geschichte endet.
Das macht den Leser natürlich neugierig:
»Eine Frau fährt in einem Bus, neben ihr ein junger Mann, der ihr ein charmantes Lächeln zu wirft. Während sich Emma nett mit ihm unterhält, weiß sie nicht, dass es sich um einen landesweit gesuchten Mörder handelt.«
So geschrieben kann diese Information nur ein allwissender Erzähler haben. Der Leser ist jetzt natürlich neugierig und will wissen, ob Emma sein nächstes Opfer wird. Aber achte darauf, dass du zukünftige Informationen nur ganz gezielt und selten anwendest. Wäre ja doof, wenn der Leser nach drei Kapiteln dein Buch schon weglegt, weil er weiß, was passieren wird.
In der aktuellen Literatur findet man den allwissenden Erzähler eher selten. Gerade weil der Erzähler alles weiß und jede Figur kennt, bis hin zu den Gedanken, wird dieser häufig als herablassend, einseitig und schwerfällig empfunden. Leser wollen in der aktuellen Literatur direkt in die Geschichte hineingezogen werden und nahe an einer Person dran sein, ihre Gefühle und Entscheidungen miterleben.
Wenn du es aber schaffst, ohne den erhobenen und belehrenden Zeigefinger zu schreiben und dem Leser Raum lässt, dann kann diese Erzählperspektive dein Buch von anderen deutlich abheben.
In einem Bereich wird der allwissende Erzähler aber auch heutzutage noch oft angewendet. Zu Beginn von Fantasy- oder Science-Fiction-Romanen. Er eignet sich hervorragend, um den Leser in die für ihn fremde Welt einzuführen. Anschließend findet aber dann immer ein Wechsel zu einer anderen Erzählperspektive satt.
Der Erzähler kennt die Sicht einer Figur
Der Erzähler hat in dieser Variante nur Zugang zu den Gedanken und Gefühlen einer Figur der Geschichte. Er erzählt die Ereignisse sozusagen gefiltert durch die Augen dieser Figur.
Beim Leser muss es den Anschein erwecken, als ob der Erzähler direkt neben der Figur steht und somit alles mitbekommt, was auch die Figur mitbekommt.
Der Vorteil eines außenstehenden Erzählers, der nahe aber nicht selber die Figur ist, ist, dass er ein paar Schritte zurücktreten und das Geschehen von etwas weiter weg betrachten kann.
Aber auch wenn der Erzähler das Geschehen etwas distanzierter betrachten kann, ist sein Wissen dennoch recht eingeschränkt. Der Erzähler, und damit der Leser, wissen nur das, was die Figur weiß, erleben nur das, was die Figur erlebt.
Der Erzähler kennt die Sicht mehrerer Figuren
Manchmal reicht das Erzählen aus der Perspektive einer Figur nicht aus, weil der gewählte Charakter vielleicht nicht stark genug ist um alles zu vermitteln. Für die Geschichte und den Leser ist es wichtig, dass das Geschehen aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet oder die Figuren, welche ja unterschiedliche Charakter haben, besser betont werden. Abhilfe schafft hier der eingeschränkt auktoriale Erzähler.
Wenn du dich für mehrere Perspektivfiguren entscheidest, dann sorge dafür, dass der Leser immer weiß, wer gerade spricht. Oftmals wird in Romanen die Perspektivfigur zwischen den Kapiteln gewechselt, aber auch innerhalb eines Kapitels ist dies natürlich möglich, man wechselt dann die Szene. Es gibt Autoren, die lassen z. B. immer mehrere Leerzeilen zwischen den Wechseln, sodass dem Leser klar wird, jetzt wird die Situation durch eine andere Perspektivfigur erzählt.
Als Autor musst du alle Perspektivfiguren, die durch den Erzähler begleitet werden, in und auswendig kennen. Auch die Motive für ihr Handeln, ihre Gedanken und ihre Gefühle sowie natürlich die Charakter- und Personenzüge. Wichtig an dieser Stelle ist, dass sich die Charaktere unterscheiden, entweder in deren Sichtweise auf das Ereignis oder ihren Charakter. Durch diese Kontraste entsteht Konflikt und Spannung und das ist das, was der Leser will.
Eine weitere Entscheidung, die du bei der Verwendung mehrerer Perspektivfiguren treffen musst ist, ob die Redezeit für alle etwa die gleiche ist. Soll heißen, hat jeder den gleichen Anteil an der Geschichte oder gibt es einen oder zwei Perspektivfiguren, die die Geschichte beherrschen und nur ab und zu wird, zur besseren Erklärung der Situation, eine weitere Figur benutzt.
Der Vorteil mehrerer Perspektivfiguren ist, dass du offener und flexibler mit deiner Geschichte umgehen kannst. Du bist nicht an nur eine Sichtweise gebunden. Aber dadurch, dass du mehrere Perspektivfiguren ausarbeiten und dem Leser vermitteln musst, können häufig Beschreibungen einiger Ereignisse nicht in der Tiefe erzählt werden, wie du dir das vielleicht gedacht hast. Die Informationen für den Leser könnten an dieser Stelle zu viel sein.
Der objektive Beobachter
Der objektive Beobachter ist das genaue Gegenteil vom allwissenden Erzähler. Er weiß absolut nichts, hat keinen Zugang zu den Gefühlen und Gedanken der Figuren. Er steht außerhalb des Ereignisses und beschreibt dieses lediglich:
»Zwei Frauen stehen unter einem Baum und streiten sich. Als die Frau im grünen Kleid meinte, dass Hans besser ist, zog die Frau im weißen Top mit der blauen Jeans die rechte Augenbraue hoch.«
Der Grund des Streits ist unbekannt. Wer ist Hans und worin ist er besser? Warum zieht die Frau die Augenbraue hoch?
All diese, und noch bestimmt mehr Fragen, kann der objektive Beobachter nur dann beantworten, wenn sich aus den zukünftigen Beobachtungen neue Informationen ergeben. Dies kann ausschließlich durch Handlungen und Dialoge geschehen.
Der objektive Beobachter ist eine der am schwierigsten zu schreibenden Erzählperspektiven. Zwar braucht man hier nur wenig Geschehnisse drumherum erklären, da der Erzähler ja sonst nichts weiß, aber der Leser kann sich in keine der Figuren hineinversetzen und Spannung bei reinen Beschreibungen zu erzeugen, ist ebenfalls schwer.
Nun kennst du die Varianten des Erzählers in der 3. Person. Du hast hier die größte Freiheit bei der Wahl, wie deine Geschichte erzählt werden soll.
Im vierten und letzten Teil des Beitrags Die Erzählperspektive – Teil 4: Weitere Infos & Hilfe bei der richtigen Wahl gebe ich dir noch ein paar Tipps und Tricks mit an die Hand.