Welcher Neu-Autor kennt es nicht — da hat man eine tolle Idee für ein Buch, hat vielleicht sogar schon interessante Charaktere ausgearbeitet und überlegt nun, was letztendlich genau passieren soll. Man schreibt eine Szenenzusammenfassung nach der Anderen, schätzt die Anzahl an Wörtern pro Szene und nach ein paar Stunden stellt sich einem die Frage: Reicht das schon, oder wird die Geschichte doch vielleicht zu kurz oder gar zu lang? Um das herauszufinden, sollten wir uns einmal gewisse Richtwerte, was die Länge von Büchern angeht, ansehen.
Von 12 Doppelseiten für ein Bilderbuch, über 80 bis 240 Seiten für einen Kinderroman, zu über 900 Seiten für ein Fantasy-Epos, ist alles vertreten. Die Länge eines Buches richtet sich dabei nach Buchart, Genre und Zielgruppe und variiert daher stark.
Gerade beim Genre Fantasy hat man es häufig mit dickeren Büchern zu tun, während ein Krimi bereits mit knapp 200 Seiten auskommen kann. Wichtiger als das Genre ist aber die Buchart. Ein Bilderbuch für Kinder ab 4 Jahren hat wesentlich weniger Text als ein Kinderroman, ein Erstleserbuch hat wesentlich weniger Text als ein Vorlesebuch. 100% genaue Angaben zum Seitenumfang kann man nicht machen, denn es gilt: Die Geschichte ist so lang, wie sie sein muss. Um jetzt aber wenigstens einen Anhaltspunkt zu haben, habe ich mir meine Sammlung an Büchern zum Thema schreiben vorgenommen und versucht, alles zusammen zutragen was relevant ist.
Zählen in Wörtern oder in Seiten?
Zuerst stellt sich aber noch die Frage, zählen wir Autoren eigentlich in Seiten oder in Wörtern? Ich wage jetzt mal zu behaupten, dass wir als Autoren den Umfang unserer Geschichten lieber in Wörtern zählen, statt in Seiten.
Ich vermute, dass liegt daran, dass Seiten uns einengen und wir eher direkt mit Wörtern zu tun haben, statt mit Seiten. Wer dann auch noch ein Schreibprogramm wie Scrivener benutzt, der arbeitet definitiv mit der Anzahl der Wörter, anstatt Seitenzahlen — auch wenn man in Scrivener als Projektziel eine Seitenzahl einstellen kann.
Verlage, auf der anderen Seite, arbeiten natürlich lieber mit Seitenzahlen, sogenannten Normseiten. Dies erlaubt es den Verlagen besser zu planen und zu kalkulieren.
Aber wie viele Wörter passen jetzt auf so eine Normseite und was ist das überhaupt?
Eure Geschichte muss keine bestimmte Länge aufweisen, um von Verlagen oder Agenten beachtet zu werden. Eure Geschichte ist so lang oder kurz, wie sie sein muss. Am wichtigsten ist, dass sie überzeugt.
Was ist die Normseite?
Der Begriff Normseite stammt noch aus der Zeit, in der ausschließlich mit Schreibmaschine geschrieben wurde. Eine Normseite ist wie folge definiert:
- Genau 30 Zeilen pro Seite
- Genau 60 Zeichen pro Zeile
Bei den Zeichen werden sämtliche Buchstaben, Leerzeichen, Sonderzeichen und die Interpunktion mitgezählt. So kommt man auf 1.800 Anschläge (30 Zeilen x 60 Zeichen) pro Seite.
Aber wie viele Worte sind das nun pro Seite?
Durchschnittliche Länge eines Wortes
Dazu müssen wir herausfinden, wie lang ein durchschnittliches Wort in deutschen Texten ist. Marion Kümmel, freie Lektorin, hat sich bereits in diesem wunderbaren Beitrag die Mühe gemacht, dass zu recherchieren. Die Antwort lautet: sieben Zeichen (gerundet).
Berechnung der Wortzahl
Wenn wir jetzt also die 1.800 Zeichen pro Normseite durch sieben teilen, erhalten wir 257,14… Wörter. Der Einfachheit halber hat man sich auf 250 Wörter pro Seite festgelegt, weswegen wir bei 100.000 Wörtern knapp 400 Seiten haben.
250 Wörter pro Seite sind dabei, wie sollte es auch sein, wieder nur ein ungefährer Richtwert. Das Problem ist nämlich: Bei den Geschichten, die wir schreiben, haben wir nicht nur beschreibenden Text, sondern auch Dialoge und Absätze. Eine einzelne Zeile wird daher selten auf genau 60 Zeichen kommen, ganz zu schweigen mehreren Zeilen.
Realistischer sind daher zwischen 1.500 bis 1.800 Zeichen, also 215 bis 250 Wörter, pro Seite. Bei anderen Bucharten kann das Ganze noch einmal anders aussehen. An der eigentlichen Definition einer Normseite (s.o.) ändert sich jedoch nichts.
Wir haben jetzt also die Anzahl an Wörtern pro Normseite auf 250 festgelegt. Nun geht es darum, die Richtwerte für die einzelnen Bucharten in Erfahrung zu bringen. Ich werde dabei nicht nur die einfachen Seitenzahlen nennen, sondern auch die Anzahl der Wörter angeben. Um zu zeigen, dass es sich bei den genannten Zahlen um Richtwerte handelt, nenne ich Euch an einigen Stellen auch berühmte Ausreißer.
Wenn du mehr zur Normseite erfahren möchtest, dann lies dir den Beitrag Die Normseite – Die Maßeinheit der Textbranche durch.
Wie lang ist ein Roman?
Der Durchschnittliche Roman, für erwachsenere Leser ab 16 Jahren, hat einen Umfang zwischen 280 und 400 Seiten. Bei diesen Romanen wird noch mit der üblichen Normseite gerechnet, also 250 Wörter pro Seite. Wir kommen also auf 70.000 bis 100.000 Wörter Umfang.
Bekannte Ausreißer sind z. B. Thriller von Dan Brown mit 500 bis 600 Seiten (z. B. Sakrileg, Meteor).
Wie lang ist ein Jugend-Roman?
Jugendromane sind in erster Linie für Kinder und Jugendliche ab 11/12 Jahren gedacht. Hier bewegen wir uns bei knapp 225 Wörtern pro Seite. Bei 160 bis 360 Seiten haben wir hier zwischen 36.000 bis 81.000 Wörter.
Je jünger die Zielgruppe ist, desto eher bewegen wir uns im unteren Zahlenbereich. Es gibt aber auch recht regelmäßig Ausreißer nach oben, welche auch äußerst erfolgreich sind.
Ein gutes Beispiel wäre die Buchreihe von Suzanne Collins Die Tribute von Panem mit 416 und zweimal 432 Seiten.
Fantasy-Epen für Jugendliche schaffen auch gerne mal 600 Seiten und sind häufig ebenfalls mehrteilig.
Wie lang sollte ein Kinder-Roman sein?
Bei Kinderromanen, gedacht für Kinder zwischen 8 und 12 Jahren, sind wir bei knapp 200 Wörtern pro Seite. Mit 80 bis 240 Seiten Länge bewegen wir uns hier im Wortzahlbereich von 16.000 bis 48.000 Wörtern.
Harry Potter und der Stein der Weisen von Joanne K. Rowling hat knapp 336 Seiten und ist gedacht für Kinder ab 8 Jahren. Die wilden Piroggenpiraten von Maris Putninš ist ebenfalls für Kinder ab 8 Jahren gedacht, hat aber 656 Seiten.
Wie lang darf ein Erstleserbuch sein?
Bücher für Erstleser sind etwas Besonderes. Sie enthalten sehr wenig Text, der dann auch noch sehr einfach gehalten ist. Mit 45 Worten ist die Anzahl der Worte pro Seite noch geringer als bei einem Bilderbuch. Dies liegt daran, dass die Leser dieser Buchart, die Zielgruppe, erst noch lesen lernen. Die Buchstaben und Zeilenabstände sind hier relativ groß.
Daher enthalten Bücher für Erstleser mehrere Geschichten, welche eine Länge von knapp 5 bis 15 Seiten haben. Es befindet sich in der Regel auch auf jeder Seite ein Bild. Einige Bücher dieser Art sehen Bilderbüchern sehr ähnlich. Nur ist eben die Zielgruppe eine andere.
Welche Länge hat ein Vorlesebuch?
Vorlesebücher sind ein Übergangsmedium vom Bilderbuch zum Erstlesebuch oder Kinderroman.
Der Umfang eines Vorlesebuches beläuft sich auf 45 bis 90 Seiten und enthält mehrere Geschichten, welche 2 bis 4 Seiten à 1.200 Zeichen lang sind. So kommen wir auf knapp 340 bis 680 Wörter pro Geschichte.
Auf das ganze Buch gerechnet, sind wir bei 7.650 Wörtern bei 45 Seiten und bei bis zu 15.300 Wörtern bei 90 Seiten.
Da hier vorgelesen wird, können die Texte länger sein als im Erstleserbuch oder im Bilderbuch.
Zu lang sollten die Geschichten aber nicht sein, denn meist werden die Geschichten vor dem Schlafengehen vorgelesen und da möchten die Eltern nicht erst noch eine halbe Stunde aus einem Buch vorlesen. 5 bis 8 Minuten pro Geschichte sind ganz gut.
Welchen Umfang hat ein Bilderbuch?
Wie der Name bereits verrät, enthalten Bilderbücher vorwiegend Bilder, welche sich dann auch noch auf eine Doppelseite ausbreiten. Das Bedeutet, dass wir für unseren Text nicht viel Platz haben.
Maximal 800 Zeichen, im Schnitt also 114 Wörter, können wir pro Doppelseite unterbringen. Bei 12 bis 14 Doppelseiten, kommen wir so auf 1.368 bis 1.596 Wörter.
Die Sprache im Bilderbuch kann ein wenig schwerer bzw. komplizierter sein, als die im Erstleserbuch, da wir hier einen Erwachsenen haben, der vorliest und Wörter erklären kann, aber übertreiben sollten wir es nicht.
Es kommt nicht auf die Länge an…
Zum Schluss möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass die Anzahl der hier angegebenen Seiten und Wörter lediglich der Orientierung dienen. Eure Geschichte muss keine bestimmte Länge haben, um für Verlage oder Agenten interessant zu sein. Wichtiger sind der rote Faden und die Figuren.
Da Ihr jetzt einen Anhaltspunkt für die Länge eurer Geschichte habt, könnt Ihr nun leichter mit dem Planen, oder direkten schreiben, loslegen.
Hier noch einmal sämtliche Zahlen in Tabellenform:
Buchart | Anzahl Seiten | Anzahl Wörter |
---|---|---|
Roman | 280 bis 400 | 70.000 bis 100.000 |
Jugendroman | 160 bis 360 | 36.000 bis 81.000 |
Kinderroman | 80 bis 240 | 16.000 bis 48.000 |
Erstleserbuch | 45 bis 100 | 2.000 bis 5.000 |
Vorlesebuch | 45 bis 90 | 7.650 bis 15.300 |
Bilderbuch | 12 bis 14 Doppelseiten | Max. 800 Zeichen pro Doppelseite |
Wenn du Probleme beim entwickeln von Charakteren oder der Handlung hast oder allgemein mehr über unser Handwerk erfahren möchtest, dann schau dir doch mal meinen Beitrag Schreibratgeber für angehende Autoren an.
Ich wünsche Euch viel Erfolg!